Filmkopien unterliegen einem ständigen Wandel, der im Archiv durch Zustandsberichte dokumentiert wird. In der Serie Condition Report teilt der Filmemacher Juan González seine Entdeckungsmomente während der Prüfung der Kopien im Arsenal-Archiv.
Mit EMILY – THIRD PARTY SPECULATION (UK 1979) von Malcolm Le Grice setzt das Arsenal die Reihe im November fort. Der Film führt in ein häusliches Setting, das unsere durch das narrative Kino geprägten Sehgewohnheiten irritiert und uns zwingt, unsere Erwartungen wie auch unsere Rolle als Zuschauer*innen zu hinterfragen. Im Alltag nehmen wir es als selbstverständlich hin, dass unsere Aufmerksamkeit unbewusst Ordnung schafft. Das Erzählkino übernimmt diesen Prozess, indem es uns durch Figuren, Perspektiven und Kontinuität leitet. Le Grice löst diese Strukturen auf und lenkt den Blick auf die Aufmerksamkeit selbst – als Möglichkeit, Freiheit im Sehen zurückzugewinnen. (Juan Gonzáles)

So, 2.11., 19 Uhr, Einführung und Diskussion: Juan González
EMILY – THIRD PARTY SPECULATION • Malcolm Le Grice • UK 1979 • 16mm • engl. OmdU 62'

Filmkopien unterliegen nicht nur einem ständigen Wandel - sie bringen je nach Zustand auch besondere Herausforderungen für die Projektion mit sich. Die Kopie von EMILY – THIRD PARTY SPECULATION (UK 1979) von Malcolm Le Grice ist altersbedingt schon etwas gewellt. Entsprechend ist Arsenal-Vorführer Bodo Pagels an diesem Abend im LaborBerlin darauf vorbereitet, dass der Film sich nicht ganz sauber wieder aufrollt und er die Projektion unterbrechen muss, um den Film zu schneiden und eine zweite Spule zum Aufrollen zu nutzen. Am Ende geht aber alles glatt. Auch dass der 16mm-Projektor einen technischen Fehler hat und die Spule nach 42 Minuten aufhört abzurollen, merkt das Publikum nicht. Pagels gibt der Spule neuen Schwung und alles läuft normal weiter. So sieht das Publikum einen Experimentalfilm, der 1980 im Berlinale Forum lief, und damals wie heute die Sehgewohnheiten herausfordert. Regisseur Le Grice, der sich immer auch theoretisch mit Film und der Rezeption befasst hat, nutzt beispielsweise die Möglichkeiten des Sounddesigns, um filmische Handlungen vorwegzunnehmen, die dann in den folgenden Einstellungen anders ablaufen, als antizipiert. Mittels des Schnittes spielt Le Grice in der Folge dann zahlreiche Möglichkeiten durch, wie die filmischen Bilder zu diesen Soundwelten aussehen könnten. und fordert damit auch zu einer Refelktion über die eigene Wahrnehmung filmischer Bilder heraus. Einmal mehr hat Kurator Juan González einen spannenden Schatz aus dem Arsenal Archiv gehoben.

LaborBerlin e.V. ist ein gemeinnütziges, selbstorganisiertes Filmlabor, das allen offensteht, die sich für analoge Filmpraktiken mit einem experimentellen und DIY-orientierten Ansatz interessieren. Das Labor versteht sich als offener Raum für den Austausch und die Diskussion filmischer Ideen und Arbeitsweisen. Neue Mitglieder erhalten eine Einführung in die Nutzung der Ausstattung – darunter Dunkelkammer, Tricktisch, Kontaktprinter und Scanner – und können anschließend eigenständig an eigenen Projekten arbeiten. Ergänzend veranstaltet LaborBerlin regelmäßig Workshops und Filmvorführungen. Das Kollektiv ist Teil eines internationalen Netzwerks unabhängiger Filmlabore und kooperiert mit Filmschaffenden und Organisationen aus aller Welt.